
Der Altstadtverein Eckernförde hat dieses Gebäude als drittes Objekt in der Reihe „Glanzstücke der Eckernförder Altstadt“ ausgewählt, denn es ist zumindest in Eckernförde einzig in seiner Art. Helga Ernst und ich waren wirklich sehr erfreut, als uns die Familie Holm auf Anfrage mitteilte, dass wir gern zu einem Kaffee in der Frau-Clara-Straße 20 vorbeikommen dürfen.
Nach einem kurzen Kennenlernen wurden uns die umfassenden Aufzeichnungen des Gebäudes vorgelegt, die ein weiteres Familienmitglied im Jahr 2012 durch ausgiebige Recherche in Form eines Buches „Frau-Clara-Straße 20 – Ein Haus und seine Bewohner, 1766 bis 2012“ zusammengetragen hatte. Und besser noch, wir durften es ausleihen, um es als Informationsquelle für den Text auf unserer Homepage im Rahmen der Glanzstückpräsentation zu nutzen.
Im angeregten Gespräch bei Kaffee und Kuchen erzählte uns die Familie so manches aus diesen Aufzeichnungen über das Gebäude. Ich stellte sehr schnell fest, dass viel über dieses Haus bereits in anderen Veröffentlichungen zu lesen war (z.B.: ECKernförde-Lexikon der Heimatgemeinschaft Eckernförde e.V., „Erlebtes und Erzähltes aus dem alten Eckernförde“ von Ilse Rathjen-Couscherung, ECKERNFÖRDE – Ein Stadtspaziergang, Museumsverein Eckernförde e.V.).
Dabei geht es u.a. um die Utluchten (erkerartiger Vorbau, im Erdgeschoss beginnend), die Quartiersbezeichnung, die „Rocaille“ über der Tür (muschelartiges Ornament, das auf die Zeit des Rokokos hindeutet), Sanitätsrat Dr. med. Otto Emil Holm sen., das erste Telefon in Eckernförde, den unvermuteten Garten hinter dem Gebäude und Herrn Gunther Holm und seine Ehefrau Gudrun, geb. Boysen. Ich änderte daraufhin mein Vorhaben, über das Gebäude als solches zu berichten und entschied mich für eine kleine Erzählung über die berufliche Tätigkeit von Frau Gudrun Holm, da dies auch ein Stück Zeitgeschichte widerspiegelt:
Das damalige Fräulein Boysen ist auch heute noch vielen Eckernförderinnen und Eckernfördern bekannt, denn sie war Lehrerin in der Stadt. Nach ihrem Abitur 1949 absolvierte sie ihr zweijähriges Lehreramtsstudium in Flensburg. Obwohl ihr Wunsch der Schulstandort Eckernförde war, denn dort lebte ihr Bruder, bei dem sie hätte wohnen können, lehrte sie zunächst an der Grundschule in Rieseby. Etwa 1953 wechselte sie dann an die Willers-Jessen-Schule, die damals noch eine Knabenbürgerschule war. Später unterrichtete sie hauptsächlich Biologie in der Barackenschule in der Nähe des Kreisbahnhofes, dem heutigen Gelände der geplanten Nooröffnung.
1956 hatten sie und ihr Verlobter, Gunther Holm, der ebenfalls Lehrer an der Willers-Jessen-Schule war, geheiratet. Sie planten eine Hochzeitsreise nach Iowa in Amerika, denn dorthin war der Vater ihres Mannes ausgewandert. Für solch ein Vorhaben setzte man sich damals nicht einmal schnell ins Flugzeug. Die Überfahrten mit dem Schiff dauerten jeweils elf Tage. Dann folgte noch die Reise bis zum Zielort. Und wenn man schon mal vor Ort ist, soll sich der Aufenthalt auch lohnen. Das Ehepaar beantragte somit eine Freistellung vom Schuldienst von Juli bis Oktober (Anfang der Sommerferien bis Ende der Herbstferien). Dies war ein sehr schweres Unterfangen. Schließlich wurde das sehr lange Fortbleiben mit der „Aufbesserung der Englischkenntnisse“ begründet und genehmigt. Eine frühe Form des Bildungsurlaubs.
1957 nahm Frau Holm die Möglichkeit einer beruflichen Fortbildung zur Realschullehrerin in Kiel wahr. Bereits hochschwanger musste sie sich Ende des Jahres für die Zulassung zur Prüfung einer Vorstellung beim Professor unterziehen. Um dies schnellstmöglich über die Bühne zu bringen, gab sie an, dass die Geburt bereits am nächsten oder übernächsten Tag einsetzen könnte. Den erschrockenen Professor „beruhigte“ sie damit, dass sie Vorsorge getroffen hätte, denn die Hebamme säße vor dem Gebäude im Auto. Sie war schnell wieder draußen!
Frau Holm blieb nur etwa drei Wochen nach der Geburt zu Hause. Für die Betreuung ihrer Tochter und später auch ihrer zweiten Tochter hatte sie gesorgt. Ihr Verdienst war dringend erforderlich, da das Ehepaar Holm das Haus in der Frau-Clara-Straße 20 gänzlich erwerben wollte. Bislang gehörte ihnen nur ein Erbteil von 1/11 an dem Gebäude.
So manche Kollegin konnte nicht damit umgehen, dass sie trotz Kind weiterarbeitete. Das hatte es in gleicher Situation in ihren Zeiten nicht gegeben. Sie straften sie u.a. damit, dass niemand im Lehrerzimmer neben ihr sitzen wollte. (Diskriminierung lässt grüßen!)
Im Alter von 60 Jahren ging Frau Holm aufgrund eines Hüftleidens dann frühzeitig in Rente. Das liegt nun schon eine lange Zeit zurück. Auch Ihre ehemaligen Schülerinnen und Schüler sind entsprechend älter geworden. Doch es kommt schon mal vor, dass sie die Begrüßung „Hallo Fräulein Boysen“ hört, wenn ihr ein Kind aus der damaligen Zeit begegnet.
Nach den kurzweiligen Erzählungen der Familie kommt Frau Holm nochmals auf das eigentliche Glanzstück, das „Holm´sche Haus“ zurück und versichert uns, dass die Geranien für den Blumenkasten über der „Rocaille“ bereits in der Anzucht sind, denn die seien das Wichtigste.
Es war ein sehr schöner Nachmittag. Wir bedanken uns bei Familie Holm für die Einblicke in ihre Geschichte!
Bärbel Schiewer

Quellen:
Private Erzählungen der Familie Holm