TASCHENGELD

Es war erst im Mai dieses Jahres, als Elke Matthiesen im Rahmen einer Führung durch die Alte Fischräucherei in der Gudewerdtstraße 71 auf die vierte Klasse einer Schule traf. Im Laufe der Erzählungen berichtete Elke auch davon, was sie damals im Alter der zuhörenden Viertklässler neben der Schule gemacht hat. Dabei wurde auch das Taschengeld zum Thema.

Dieses Zusammentreffen hat eine Menge an Erinnerungen bei Elke geweckt, die es wert sind, aufgeschrieben zu werden. Ich habe mich daher mit Elke in ihrer Wohnung bei Kaffee und Kuchen getroffen. Sie hat erzählt und ich habe Notizen gemacht, die im Folgenden als weitere Altstadtgeschichte zu lesen ist. Ich kann dazu sagen, dass Elke nur so sprudelte vor Erinnerungen. Es war ein sehr schöner Nachmittag, vielleicht ergibt sich sogar eine weitere Gelegenheit zu einem anderen Thema. Aber nun geht´s erstmal los:

Es muss Ende der 1940er Jahre gewesen sein. Elke lebte mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihrem Bruder in der Kieler Landstraße 5, die uns heute als Berliner Straße geläufig ist. Sowohl die Schulzeit als auch die Freizeit, das werden wir im Laufe dieser Geschichte noch häufiger erfahren, verbrachte sie mit ihrer Freundin Frauke. Wöchentliches oder monatliches Taschengeld gab es für die Mädchen damals nicht, aber natürlich hatten die beiden auch entsprechende Wünsche, die sie sich erfüllen wollten. Ideenreich waren sie auf jeden Fall.

Abb. 1: Frühere Kieler Landstraße

So gingen sie z.B. zu Fuß an der Kieler Landstraße entlang bis nach Kiekut. Der Wall am Weg zum heutigen Begräbniswald war voll von Lupinen. Die Idee der Mädchen war es, diese zu pflücken und zu verkaufen. Schnell war eine große Menge der Blumen gepflückt, doch wie sollten diese transportiert werden, darauf waren sie nicht wirklich vorbereitet. Kurzerhand wurde der Gürtel von Elkes Mantel zweckentfremdet und die Lupinen damit zu einem großen Bündel geschnürt. Zurück in der Kieler Landstraße 15, dort wohnte nämlich Frauke, wurde die große Menge Lupinen in kleine Bunde geteilt. Es dauerte nicht lange und die Blumen waren an der Straße an die vorbeigehenden Leute für ca. 20 Pfennig pro Bund (den genauen Preis wusste Elke nicht mehr so genau) verkauft. Und dieses Prozedere wurde natürlich im Laufe der Blütezeit der Lupinen wiederholt.

Der größte Teil der Einnahmen wurde selbstverständlich in die jeweiligen Spardosen gesteckt, aber natürlich wollten sich die Mädchen auch etwas gönnen. So gingen die Zwei über die Preußerstraße Richtung Strand. Heute befindet sich dort das griechische Restaurant „Kreta“, aber damals gab es hier neben dem Lokal „Kiek in de See“ die Eisbude von Herrn Gauert. Eiswaffeln gab es zu der Zeit noch nicht. Die Eiskugel wurde auf eine kleine graue Pappscheibe gelegt. Die Mädchen schleckten das Eis dann genüsslich mit der Zunge ab. Den Geschmack des Eises auf der Pappe spürt Elke beim Erzählen dieser Episode immer noch auf der Zunge.

Abb. 2: Gaststätte „Kiek in de See“ am Strand Abb. 3: Eismann mit Eiskarren an der Promenade

Im Herbst gab es dann wieder andere Möglichkeiten, Taschengeld zu verdienen. In den Ferien lösten Elke und Frauke und auch deren Geschwister Bahnfahrkarten für jeweils 30 Pfennig und fuhren mit der Bahn vom Bahnhof Eckernförde zum Bahnhof nach Altenhof. Sie planten einen längeren Aufenthalt im Wald und hatten dementsprechend Proviant von ihren Müttern in Form von Johannisbeersaft und Brot dabei. Ihr Weg führte sie fast bis ans Schloss Altenhof, denn dort lag ihr Ziel: die großen Eichen im Wald. Elkes Mutter hatte Stoffbeutel genäht, in die die Kinder die heruntergefallenen Eicheln vom Boden aufsammelten. Die Eicheln waren für die Fütterung der Wildtiere im Winter gedacht. Daher trugen die Kinder ihr Tagwerk zum Försterhaus, das etwas abseits der Schlossanlage in Richtung Osten im Wald lag. Der Ertrag musste stets zunächst einmal ausgekippt werden, um zu prüfen, ob auch kein „Beifang“ untergemischt wurde. Dann wurde peinlichst genau abgewogen. Es gab etwa 30 Pfennig pro Kilo. Die Kinder waren mehrere Tage fleißig. Elke erinnert sich, dass sie 12 Mark in ihrer Spardose hatte. Wofür sie das Geld benötigte, wird in Kürze verraten.

Für das Sammeln von Bucheckern gab es zwar kein Geld, diese konnten jedoch gegen Lebensmittel getauscht werden. Die Kinder fuhren daher wieder mit der Eisenbahn zum Bahnhof Altenhof. Die Buchen standen linker Hand Richtung Schloss, nicht weit vom Bahnhof entfernt.

Abb. 4: Bahnhof Altenhof

Die Früchte wurden wieder in Stoffbeutel gesammelt, diesmal sollten diese aber wieder mit zurück nach Eckernförde genommen werden. Die Kinder warteten daher wieder auf den aus Richtung Kiel kommenden Zug am Bahnhof in Altenhof. Auch Elke wusste von den Erzählungen, dass man den Zug bereits hören könnte, bevor man ihn sah, indem man das Ohr auf die Gleise legt. Gesagt getan!!! Es ist natürlich nichts passiert, aber da auch Elkes Schwester dabei war, blieb dies nicht unter Verschluss und auch Elkes Mutter erfuhr davon. Ob es Ärger gab?

Zurück in Eckernförde wurden die Bucheckern dann am Hafen beim Getreidehandel Chr. Sieck oder Peter Kruse abgegeben. Dafür wurde dann Öl und Margarine mit nach Hause genommen.

Abb. 5 : Getreidehandel am Hafen

Inzwischen war es Winter geworden. Elke hatte lange genug gespart und endlich war es so weit. Sie ging mit ihrer Mutter in den Bekleidungsladen von Otto Behrendt in der Kieler Straße/Ecke Pastorengang. Dort wurde dann ein schicker tannengrüner Cordstoff gekauft. Ihre Mutter nähte ihr daraus eine lange Hose. Elke war ziemlich stolz darauf!

In diesem Winter hatte es bereits lange Zeit Frost gegeben und sowohl die Norderhake als auch die Süderhake waren zugefroren. Herrlich, es konnte gerodelt werden. Die Kinder gingen dafür über den Kakabellenweg zur Broosbyer Koppel, die Bauschule und die angrenzende Wohnbebauung gab es zu der Zeit noch nicht. Vom höchsten Punkt aus ging die Fahrt über die Straße hinüber, unter dem Stacheldrahtzaun hindurch und weiter bis auf die zugefrorene Süderhake. Das wurde mehrfach wiederholt, doch einmal war Elke unaufmerksam und der Stacheldraht riss sowohl die Cordhose als auch das Bein auf. Die Hose war da gerade erst acht Tage alt!

Ob es Ärger gab? Elke wusste es nicht mehr so genau. Natürlich hat ihre Mutter die Hose geflickt und auch die Wunde ist wieder verheilt. Die zurückgebliebene Narbe erinnert Elke aber bis heute daran.

Abb. 6: Zugefrorene Norderhake

Natürlich gab es noch weitere Möglichkeiten, Taschengeld zu verdienen, z.B. das Sammeln von Flaschen. Diese wurden bei der Firma Behn in der Rendsburger Straße 11-15 (heute Neubau Wohnblock bzw. Hochhaus) abgegeben. Der angrenzende Garten lockte mit prallen Äpfeln, da waren die Mädchen nicht abgeneigt. Unglücklicherweise wohnte Elkes Oma nebenan in der Rendsburger Straße 19. Elke wurde zum Rapport gebeten und dummerweise saß da Frau Behn auf dem Sofa, die die Mädchen beim „Ernten“ beobachtet hatte. Oh je, aber es ging glimpflich ab.

Abb. 7: Getränke Firma Behn, Rendsburger Straße

Gern erinnert sich Elke auch daran, dass sie und Frauke Fräulein Winterberg die Taschen nach Hause getragen haben. Diese betrieb einen Buchladen in der Kieler Straße 28 (heute Zeitungs- und Tabakladen). Die Mädchen warteten bis zum Feierabend und begleiteten Fräulein Winterberg dann bis zum Bahnübergang in Richtung Kiel am damaligen „Hotel Seegarten“, dem heutigen Hotel „BeachSide“. In dem großen Backsteinbau auf der anderen Straßenseite wohnte Fräulein Winterberg. Für die Hilfsbereitschaft der Mädchen gabs dann 20 Pfennig.

Abb. 8: Buchhandlung Winterberg, Kieler Straße 28

Und dann war da noch ….., aber jetzt ist erstmal Schluss. Die erste „Sitzung“ bei Elke ist vorbei, denn die Einladung zu einem Konzert in der Stadthalle ruft.

Ich habe den Nachmittag genossen und erkläre mich gern bereit, nochmals Elkes Erinnerungen in Worte zu fassen.

Erzählt von Elke Matthiesen

Aufgeschrieben von Bärbel Schiewer Juli 2024

Fotonachweis:

Abb. 1 – 3 und 5 – 8 aus „Altes Eckernförde – Das Archiv 1 + 2“

von W. Eulert, Fotograf unbekannt.

Abb. 4 aus der Chronik „Altenhof 1410 – 2012“ ,Foto Landesbibliothek

Teilen Sie uns gern zu den Altstadtgeschichten Ihre Meinung mit. Vielen Dank.

altstadtverein.eck.schiewer@online.de