Ich wohne im Bredenbeksgang und unser Haus gehört zu dem Wohnkomplex “Quartier Räucherei Nachtigal”. Wir liegen ungefähr 1,75 m über dem mittleren Hochwasser und fühlten uns eigentlich recht sicher, was Hochwasser und Überschwemmungen betrifft. Wir haben uns wohl über einen Hochwasser-Schutz Gedanken gemacht, aber alles, was wir in Erwägung zogen, war technisch nicht umsetzbar oder aber zu teuer.
Als am Mittwoch, den 18.10.2023, die Nachrichten immer bedrohlicher wurden, dass uns ein Hochwasser treffen könnte, und einige der alteingesessenen Nachbarn im Jungfernstieg Sandsäcke vor ihre Haustüren stapelten, fuhren wir unsere Autos aus der Tiefgarage und suchten uns einen höher gelegenen Platz.
Ich erwartete am Freitag, den 20.10.2023, meinen Sohn und meine Enkeltochter mit Freund zu einem Wochenendbesuch. Wir freuten uns auf ein Wiedersehen und ein leckeres Abendessen in der “Fischdeel” gleich um die Ecke. Meine Kinder kamen abends um 18 Uhr in Eckernförde an, durften da aber schon nicht mehr mit dem Auto in die Altstadt fahren. Sie waren klitschnass und frustriert, aber trotz allem wollten wir nicht auf unser Fischessen bei “Schotti” verzichten.
Als wir zurückkamen, war das Wasser am Hafen schon über die Kaimauer getreten und lief in den Jungfernstieg. Wir hatten sehr viel Glück, dass die Feuerwehr an der Schiffbrücke ein Depot mit Sandsäcken eingerichtet hatte. Wir konnten uns damit versorgen, und viele Bewohner des Jungfernstieges machten davon Gebrauch. Unsere unmittelbaren Nachbarn versuchten die Speicher-Einfahrt zu unserem Hof und die Tiefgarage mit Sandsäcken zu blockieren.
Mein Sohn schloss sich ihnen an, und die Situation wurde immer bedrohlicher. Durch den Jungfernstieg floss das Wasser wie ein Strom und darauf tanzten die Blumenkübel von den Gaststätten “Montenegro” und “Alfredo”. Hier liefen schon die ersten Keller voll.
Als dann gegen 23 Uhr der Strom abgeschaltet wurde, fiel bei uns in der Tiefgarage die Pumpe aus, und alles Fegen und Schöpfen war eine Sisyphusarbeit. Außerdem drückte das Grundwasser in die umliegenden Keller – bei uns sogar durch die Wände der Tiefgarage.
An Schlaf war nicht zu denken. Gegen 5 Uhr morgens polterten Feuerwehrleute an unsere Haustür, um uns zu sagen, dass wir uns freiwillig evakuieren lassen könnten. Aber wir wollten alle bleiben.
Als es langsam hell wurde, sahen wir das Ausmaß der Katastrophe. Einige Nachbarn hatten eigene Generatoren und versuchten schon, ihre Keller leer zu pumpen. Für andere kam die Feuerwehr mit mobilen Pumpen und ich war entsetzt, wie viel Wasser in die Keller gelaufen war. Die Helfer mussten dabei immer wieder pausieren, weil im Jungfernstieg das Wasser noch so hoch stand, dass es aus dem Bredenbeksgang nicht ablaufen konnte.
Für uns im “Quartier Räucherei Nachtigal” ging alles glimpflich aus, was viele Altstadt-Bewohner nicht sagen konnten. Keller, Flure sogar Wohnräume waren vollgelaufen, und es wurde großer Schaden angerichtet.
Da wir vom Stromnetz abgeschaltet waren und Leitungswasser nicht nutzen sollten, gab es keinen Kaffee, keine Dusche, keinen Toilettengang, keine Radio-Nachrichten und bei mir blieb die gesamte Wohnung dunkel, weil überall vor den Fenstern die elektrischen Rollläden geschlossen waren!
Nach 23 Stunden wurde der Strom wieder eingeschaltet, und viele Nachbarn haben sich später mit Trinkwasser-Vorräten, Powerbanks, Kerzen, Campingkochern, Radio-Batterien usw. versorgt.
Bilder vom nächsten Morgen:
Wir alle machen uns Sorgen um die Zukunft, denn das nächste Hochwasser kommt bestimmt. Die Stadt macht Pläne und will tätig werden, und auch wir als Eigentümer unserer Wohnanlage werden Vorsorge treffen.
Helga Giese
September 2024
Fotonachweis:
Fotos aus Privatsammlung H. Giese